Die Pflanze des Monats September

Die Gemeine Waldrebe

Abb. 1 Clematis-Blütenstand mit Blüten in verschiedenen Reifezuständen
Abb. 1 Clematis-Blütenstand mit Blüten in verschiedenen Reifezuständen / Foto und Text: Brigitte Steinke

Wenn man an etwas feuchtgelegenen Wegen mit Strauch- und Baumbewuchs entlang geht, findet man regelmäßig Sträucher und auch Bäume, die über und über von einer anderen Blühpflanze bewachsen sind. Es handelt sich hierbei oft um die „Gemeine Waldrebe“ (gemein bedeutet in der Biologie „gewöhnlich“) oder wissenschaftlich Clematis vitalba.


Zu dieser Jahreszeit sieht man sie manchmal mit allen Fruchtformen an einer Pflanze: Die grünlich-weißen Knospen neben halb und voll aufgeblühten Blüten (Abb. 1) und zu guter Letzt die Früchte (Abb. 1 und 2). Manchmal könnte man meinen, dass sich Blüten verschiedener Pflanzen in einem Blütenstand befinden. Aber nein, Clematis-vitalba-Blüten machen in ihrem Lebenszyklus nur einen interessanten Wandel durch.

  • Ihre Blüten sind im ersten Stadium weiblich. Auf Abb. 1 sieht man diesen Zustand bei der aufgehenden Knospe und der hinteren kleinen Blüte (beide leider etwas unscharf). Hier überragen die weiblichen Fruchtblätter in der Mitte die männlichen, noch unreifen Staubblätter etwas, und können so von Insekten leichter bestäubt werden.

  • Etwas später sieht man die Fruchtblätter kaum noch, weil sie mit der Zeit von den gelbweißen Staubblättern überragt werden. Das männliche Stadium hat begonnen. Im weiteren Verlauf werden die Pollen nach und nach „abgeerntet“, die Blütenhüllblätter fallen ab und es verbleiben nur noch die weißen Staubfäden. Sie breiten sich strahlenförmig aus, wodurch die im ersten Stadium befruchteten Fruchtblätter wieder sichtbar werden. Schließlich fallen auch die Staubfäden ab.
Diese etwas bizarr anmutenden, filigranen Gebilde sind die Früchte der Clematis
Abb 2 Diese etwas bizarr anmutenden, filigranen Gebilde sind die Früchte der Clematis

Die Früchte sind im frühen Stadium rot-grün. Die haarigen Anhängsel entstehen nach der Befruchtung aus den sich verlängernden behaarten Griffeln (Abb. 2), die bei dieser Pflanze nicht abfallen.

 

Bei Regen verkleben die Haare und was vorher noch adrett sortiert aussah, wirkt nun wie zerzauste nasse Haare (Abb. 3).

 

Warum betreibt die Pflanze einen solchen Aufwand mit den Früchten? Nun, wenn sich die Samen im Frühjahr ablösen, wirken die haarigen Anhängsel wie Federn. Bei Trockenheit und starkem Wind werden sie fortgeweht. Feucht können sie dagegen wie Kletten wirken und bleiben gut an Tieren haften, die so für ihre Verbreitung sorgen. Oft bleiben sie auch einfach am Untergrund haften.

Feucht gewordener Fruchtstand in fortgeschrittenem Reifezustand mir grünlichen Früchten
Abb. 3 Feucht gewordener Fruchtstand in fortgeschrittenem Reifezustand mir grünlichen Früchten

Was charakterisiert die Gemeine Waldrebe sonst noch?

  • Sie ist eine verholzende Kletterpflanze, die mindestens 7 m hochranken kann.
  • Sie hat unpaarig gefiederte Blätter, d. h. ein Blatt besteht aus mehreren Teilblättchen in ungerader Anzahl.
  • Zum Klettern benutzt sie die Stiele ihrer Blätter und Blättchen. Nach der Berührung einer anderen Pflanze oder Stütze verlängern sich diese Stiele und umwinden den „Widerstand“.
  • Die Funktion des Kelches wird von den Blütenblättern übernommen, weshalb man sie hier Blütenhüllblätter nennt. Sie sind außen grün-weiß und dicht behaart.
  • Die Blüten strömen ein unangenehmes Aroma aus. Der Geruch zieht Fliegen und Käfer aber auch verschiedene Bienenarten an.
  • Gemeine Waldreben blühen von Juni bis September.
  • Sie sind kalkliebend und Stickstoffanzeiger.
  • Die ganze Pflanze ist giftig. Der Saft kann die Haut irritieren, bis hin zu blasigem Hautausschlag.

Clematis gehören zu den Hahnenfußgewächsen (Ranunculacea), einer großen Pflanzenfamilie, die weltweit über 2.500 Arten hervorbringt. Anemonen, Busch-Windröschen, natürlich der Hahnenfuß gehören dazu, die im Winter blühende Nieswurz (Helleborus) oder der prächtige Rittersporn. Alle Hahnenfußgewächse sind giftig.

 

Auffallend in dieser Familie ist die hohe Anzahl an Staub- und Fruchtblättern in ihren Blüten. Sie sind zudem wahre Verwandlungskünstler. Da sie in der Regel keinen Kelch haben, wird dessen Schutzfunktion von verschiedenen anderen Blütenorganen durch deren Umwandlung übernommen. Wenn man alleine die große Farbvielfalt der Blüten betrachtet, ist dies eine unglaubliche Leistung.

 

Die Gemeine Waldrebe ist eine in ganz Europa häufige Pflanze – vielleicht, weil sie in jeder Hinsicht so flexibel ist?

 

Quellen:

  •  R. Fitter, A. Fitter, M. Blamey, 2000: Pareys Blumenbuch, Parey Buchverlag Berlin, S. 76
  •  http://www.floraweb.de/pflanzenarten/oekologie.xsql?suchnr=1591&

  

Autorin: Brigitte Steinke