Der Spitzwegerich (plantago lanceolata)

Pflanze des Juli

Abb. 1 Blühender Spitzwegerich auf einer Wiese / Foto: Norman Schiwora
Abb. 1 Blühender Spitzwegerich auf einer Wiese / Foto: Norman Schiwora

Obwohl der Spitz-Wegerich sehr häufig und deshalb allgemein bekannt ist, soll er hier doch wegen einiger Besonderheiten beschrieben werden. Plantago lanceolata gehört zur Familie der Wegerich-Gewächse (Plantaginaceae), einer bei uns ursprünglich sehr kleinen Pflanzenfamilie. Sie ist jedoch in den letzten Jahren sehr gewachsen. Grund sind genetische Untersuchungen, bei denen festgestellt wurde, dass einige Pflanzenfamilien und diverse Gattungen aus anderen Familien gar nicht sind, was sie vom Aussehen her zu sein scheinen – ein Problem für jeden, der Pflanzen bestimmen möchte. Denn ursprünglich für eine Pflanzenfamilie als typisch geltende Merkmale stimmen plötzlich nicht mehr. Es bleibt spannend, wie dieses Problem in Zukunft gelöst wird. Bis sich der Umstand in Bestimmungsbüchern widerspiegelt, wird wohl noch das ein oder andere Jahr ins Land ziehen. Aber zurück zu den ehemaligen Wegerich-Arten: Es gibt in Deutschland noch weitere, die jedoch eher spezialisiert und deshalb seltener sind. Bekannt und häufiger anzutreffen ist noch Plantago major, der Große Wegerich, auch Breit-Wegerich genannt. Von diesem leitet sich der Familienname ab. Planta ist der lateinische Ausdruck für Fußfläche, also der Fußsohle, und der Name für “flach“. Im Deutschen leiten sich die Wörter für platt und plan von planta ab. Plantago major hat rundliche, flach über dem Boden ausgebreitete Blätter. Er siedelt gerne auf unbefestigten Wegen. Dort wird er natürlich platt getreten, was er aber durchaus überlebt. Der Name Wegerich hat also tatsächlich mit Wegen zu tun. Der Spitzwegerich ist empfindlicher und bevorzugt Wegränder, Wiesen und Brachstellen als Besiedelungsplätze. 


Was kennzeichnet unsere Wegerich-Arten?

 

Bis auf den Sand-Wegerich sind die Blätter der hiesigen Arten in einer Grundrosette angeordnet und weisen meist parallele Blattnerven auf, was ein eher seltenes Phänomen ist, wenn man einmal von den typischen Zwiebelgewächsen und wenigen anderen Familien absieht. Die Blüten sind sehr klein und haben 4 Blütenblätter. Sie sitzen in kugeligen Köpfen bis langen Ähren auf langen, unverzweigten und blattlosen Stielen (Ausnahme Sand-Wegerich). Die Staubgefäße ragen stets weit aus den Blüten heraus. Die Staubbeutel scheinen die Ähren wie kleine Satelliten zu umkreisen. Eine Verwechselung mit anderen Pflanzen ist wegen dieses markanten Phänomens fast nicht möglich.

 

Die Befruchtung der Wegerich-Gewächse erfolgt hauptsächlich durch Wind-Bestäubung. Die mangelnde Treffsicherheit wird mit der Pollenmenge kompensiert. Ein einziger Staubbeutel ist mit Tausenden von Pollen bestückt. Damit deren Streuung noch besser funktioniert, haben die Pflanzen bewegliche Staubbeutel entwickelt, die schon bei leichtem Wind kräftig gerüttelt werden.

 

Und was kennzeichnet den Spitzwegerich?

 

Plantago lanceolata ist eine ausdauernde Pflanze, die 5-50 cm hoch wird. Sie hat keine besonderen Ansprüche und ist deshalb in fast allen unseren Landschaften, ja in ganz Eurasien in mittleren Breitengraden anzutreffen und dort auch beheimatet. Mittlerweile ist sie fast überall auf der Welt angekommen. Der Spitzwegerich blüht hier von Mai bis in den Oktober hinein.

 

Wie der Artname lanceolata widerspiegelt, sind die Blätter lanzettlich. Sie können bis zu 30 cm lang werden, wobei sie starr stehen bleiben. Die 3-7 parallelen Blattnerven sind gut sichtbar (Abb. 1 und 2). Die Blätter sind nur bis zur Blütezeit behaart, danach verkahlen sie nach und nach. Bei im Sand lebenden Pflanzen ist die Behaarung meist stärker ausgeprägt; sie sind insgesamt etwas gedrungener.

Abb. 2 Die Blätter von Plantago lanceolata erscheinen in Form von Grundrosetten. / Foto: Brigitte Steinke
Abb. 2 Die Blätter von Plantago lanceolata erscheinen in Form von Grundrosetten. / Foto: Brigitte Steinke

Der Ährenstiel des Spitz-Wegerich ist tief gefurcht kantig (Abb. 3)  – ein gutes Abgrenzungszeichen zu den anderen Arten mit ähnlichem Aussehen – und mehr oder weniger angedrückt behaart. Die Ähre selbst ist elliptisch-rundlich (Abb. 3).

Abb. 3 Die Blütenähre sitzt auf einem gefurchten, behaarten Stiel. / Foto: Brigitte Steinke
Abb. 3 Die Blütenähre sitzt auf einem gefurchten, behaarten Stiel. / Foto: Brigitte Steinke

Die unscheinbaren, papiernen, am Grund bräunlichen Blüten machen sich überwiegend durch die lang herausschauenden, weißlichen Griffel (in Abb. 3 oben an der Ähre) in den weiblichen Blüten und die Staubgefäße in den männlichen Blüten (unten an der Ähre) bemerkbar. Der Kranz mit den männlichen Blüten „wandert“ mit der Zeit in der Ähre von unten nach oben. Die unteren Blüten verwelken nach und nach (Abb. 4), bis letztendlich nur der Fruchtstand übrigbleibt.

Abb. 4 Der Blütenkranz ist nach oben gewandert, die unteren Blüten sind verwelkt. / Foto: Brigitte Steinke
Abb. 4 Der Blütenkranz ist nach oben gewandert, die unteren Blüten sind verwelkt. / Foto: Brigitte Steinke

Die Befruchtung erfolgt zwar überwiegend durch Windbestäubung, aber auch Insekten sind beteiligt (kurzrüsselige Bienen, Schweb- und andere Fliegen, Käfer). Der Spitz-Wegerich ist außerdem eine wichtige Nahrungspflanze für Nachtfalter-Raupen; ca. 30 Arten profitieren von ihm.

 

Die Früchte sind kleine Kapseln, die sich in je einer der befruchteten Blüten entwickeln. Außer über die Samen erfolgt die Vermehrung auch immer durch eine spezielle Rhizomart, die sich am Wurzelkopf der Hauptwurzel bildet. Die Samen quellen bei Feuchtigkeit auf und umgeben sich mit Schleim. Mit diesem haften sie bei Berührung gut am Objekt an und lassen sich zu einem anderen Standort weitertragen.

 

Für den Winter bildet der Spitz-Wegerich sogenannte Überdauerungsknospen an krautigen Sprossachsen aus. Diese ziehen sich nicht in die Erde zurück, sie werden nur durch Laub und andere Blätter geschützt.

 

Der Spitz-Wegerich ist eine, zumindest früher, allseits bekannte Heilpflanze, weshalb er regional auch Heil- oder Wund-Wegerich genannt wird. 2014 war er Arzneipflanze des Jahres. Im Deutschen Arzneibuch gibt es eine Monografie über ihn mit den Anwendungsgebieten „Katarrhe der oberen Luftwege, entzündliche Veränderungen der Mund- und Rachenschleimhaut“ sowie „entzündliche Veränderungen der Haut“. Verwendet werden ausschließlich die oberirdischen Bestandteile. Die Ernte sollte während der Blütezeit erfolgen. Mit Presssaft aus den Blättern kann man unterwegs ganz einfach Insektenstiche behandeln.

 

Im Gegensatz zu vielen anderen Heilpflanzen ist Spitz-Wegerich ungiftig. Man kann die Blätter sogar essen. Junge Blätter lassen sich gut einem Blattsalat zugeben. Sie haben eine nussige Note. Da er noch recht häufig anzutreffen ist, ist die Entnahme aus der Natur zum Glück auch kein Problem.


Quellen:

 

R. Fitter, A. Fitter, M. Blamey, 2000: Pareys Blumenbuch, Parey Buchverlag Berlin, S. 232-233.

 

Bochumer Bot. Verein, Jahrb. 6, 2015: https://botanik-bochum.de/web/jahrbuch.htm

 

Bundesamt für Naturschutz: https://www.floraweb.de/pflanzenarten/artenhome.xsql?suchnr=4320&

 

Text: Brigitte Steinke – Biologin – NABU Düsseldorf e.V. – 07.2021