Liguster kennt wahrscheinlich jeder von Ihnen, ohne vielleicht zu wissen, um was es sich da handelt. Früher gab es ihn häufig besonders in Vorgärten als Schnitthecke; als solche wurde er überwiegend vom ökologisch wertlosen Kirschlorbeer abgelöst. Dabei gibt es auch Liguster als immergrüne Variante und damit Sichtschutz im ganzen Jahr. Seit der Buchsbaumzünsler fast überall den Buchsbaum vernichtet hat, wird der Liguster neu entdeckt. Er kann nämlich wie Buchsbaum in Form geschnitten werden und eignet sich auch zum Einsäumen von Rabatten - in Barockgärten oft die einzige Chance, deren typisches Bild zu erhalten. Er soll hier beschrieben werden, weil er viel zu bieten hat – für viele Tiere, aber auch den Menschen.
Die Gattung Ligustrum gehört, wie auch Olivenbaum und Esche, zu den Ölbaumgewächsen (Oleaceae). Außer im amerikanischen Raum ist sie, mit Schwerpunkt Ostasien, über die ganze alte Welt verbreitet. Es gibt sowohl Bäume als auch Sträucher. In Europa ist nur die Art Ligustrum vulgare heimisch. Nur wenige andere Arten wurden im Laufe der Zeit eingeführt.
Ligustrum vulgare kommt in ganz Europa vor. Seine östliche Ausbreitung reicht bis in den Iran und die südliche bis Nordwestafrika. Er bevorzugt trockenwarme Wälder oder Gebüsche mit kalkhaltigen, lehmigen Böden und zeigt Stickstoffarmut an.
Was kennzeichnet den Gewöhnlichen Liguster?
Bei Ligustrum vulgare handelt es sich, je nach Klima, um laubabwerfende oder halbimmergrüne Sträucher; halbimmergrün, weil sie an winterwarmen Standorten die Blätter im Frühjahr erst mit dem Neuaustrieb abwerfen. Die stark verzweigten Sträucher werden 1,5 bis 5,0 Meter hoch. Die Hecke in Abb. 1, die an einem Sportplatz in Flehe steht, dürfte mindestens drei Meter erreicht haben. Der Gewöhnliche Liguster blüht von Juni bis Juli.
Die ganzrandigen, sehr kurz gestielten Blätter sind gegenständig oder in dreizähligen Wirteln angeordnet. Sie haben eine lanzettliche bis elliptische Form und werden 2,5 bis 8 cm lang (Abb. 2). In Anpassung an trockene Standorte sind sie ledrig. Der nicht heimische Ovalblättrige Liguster sieht sehr ähnlich aus. Die Arten lassen sich durch die Blattform voneinander abgrenzen: Die breiteste Stelle eines Blattes von Ligustrum vulgare liegt mehr oder weniger in der Mitte, während sie bei der anderen Art deutlich Richtung Blattstiel geht. Im Herbst können die normalerweise dunkelgrünen Blätter violett überlaufen.
Die aufrecht wachsenden Zweige bringen sehr biegsame, häufig quirlig angeordnet Kurztriebe hervor. Die Farbe junger Zweige ist olivgrün (Abb. 2), später geht sie ins graubraune über. Die Spitzen junger Triebe können kurz behaart sein. Ältere Zweige sind mit Lentizellen, auch Korkwarzen genannt, besetzt. Dabei handelt es sich um Poren im Kork, die einen Gasaustausch zwischen dem Pflanzengewebe und der Umwelt erlauben.
Die Blütenstände bilden eine pyramidenförmige, bis 8 cm lange Rispe. Sie entwickeln sich in an den Enden von Kurztrieben. Die weißen, häufig leicht duftenden, trichterförmigen Blüten sind zwittrig. Sie besitzen je vier Kron- und Kelchblätter. Einschließlich der Kronröhre sind die Blüten ca. fünf mm lang. Die Röhre beherbergt je zwei Staubblätter, deren Staubbeutel aus ihr herausragen. Sie sind länger als der Griffel mit seinen zwei Narben, der in der Röhre verbleibt. In die Kronröhre wird Nektar abgesondert, der zahlreiche Insekten anlockt. Die Pflanzen sind Nektarlieferanten und Raupenfutter für ca. 38 gefährdete und sehr gefährdete Tag- und Nachtfalter, wie den kleinen Fuchs, verschiedene Schecken- und Zipfelfalter sowie Widderchen-Arten oder den Holunderspanner (Ourapteryx sambucaria), auch Nachtschwalbenschwanz genannt. Unter den Nachtfaltern dürfte der Ligusterschwärmer (Sphinx ligustri) der bekannteste sein, weil er sehr groß und für einen Nachtfalter ziemlich farbenprächtig ist. Das gleiche gilt für die Raupe, die sich bei Gefahr vorne hoch aufrichtet (deshalb der Gattungsname Sphinx).
Am Pollen bedienen sich Furchen-, Honig- und Sandbienenarten. Die Bestäubung erfolgt durch Bienen, Hummeln, Schwebfliegen, Wespen und dicht behaarten Fliegen, den Wollschwebern. Bei Ligusterhecken kommt diese Vielfalt an Insekten allerdings meist nicht zum Zuge, weil sie zu früh oder zu häufig geschnitten werden, so dass die Pflanzen kaum zur Blüte kommen.
Wenn man sie denn lässt, bilden die befruchteten Blüten ein- bis dreisamige Steinfrüchte aus. Um eine Vorstellung zu bekommen – zu den Steinfrüchten gehören z.B. Aprikosen, Kirschen, Oliven oder Pfirsiche. Es handelt sich um ein-, selten auch mehrsamige Früchte, die sich bei Samenreife nicht öffnen. Ihre innere Fruchtschicht ist hart bis holzig, die mittlere dagegen fleischig. Außen wird die Frucht von einer Haut geschützt. Die Steinfrüchte des Liguster sehen äußerlich wie Beeren aus. Im reifen Zustand ist ihre Außenhaut schwarz und glänzend (Abb. 4). Reife Früchte sieht man ab September. Häufig bleiben sie über den Winter an den Sträuchern hängen.
Für die Verbreitung der Samen sorgen Vögel und Nagetiere. Gefressen die Früchte meist erst im Winter, wenn es keine große Auswahl mehr gibt. Die Samen werden über den Darm ausgeschieden und keimen besonders gut nach Frosteinwirkung. Dafür ist ein Verspeisen erst im Winter natürlich von Vorteil.
Eine weitere Art der Vermehrung geschieht durch Ausläufer oder Stecklinge. Erstere bewurzeln sich nach relativ kurzer Zeit, um sich dann von der Mutterpflanze zu trennen – eine gute Gelegenheit auch für Gärtner, wenn Nachschub gebraucht wird. Abgeschnittene Zweige treiben wie Weiden schnell Wurzeln, wenn man sie in Erde steckt.
So ein Ligusterstrauch gibt bei weitem mehr her, wenn man ihn blühen lässt, als gemeinhin bekannt. Nicht nur für die Tierwelt und den Gärtner ist die Pflanze attraktiv. Alle Pflanzenteile können für verschiedenste Zwecke genutzt werden:
Die Früchte wurden jahrhundertelang nach Frosteinwirkung zum Blaufärben von Wolle genutzt, Blätter, Zweige und Rinde erbrachten mit unterschiedlichen Beizen diverse Farbpaletten. Der Beerensaft wurde außerdem zum Malen verwendet. Einer der Trivialnamen der Pflanze, nämlich Tintenbeerstrauch, weist auf diese Anwendung hin. Um die Bandbreite der Farben zu erweitern, wurden dem Saft verschiedene Substanzen zugefügt. Manchmal wurde der Saft auch zum Färben von Wein benutzt.
Das Kernholz von Ligustrum vulgare ist durch Anthocyane violett gefärbt. Das Holz ist insgesamt sehr hart und glatt. Diese Eigenschaften machten es zur Herstellung von Werkzeuggriffen beliebt sowie zum Drechseln und Schnitzen. Äste und Stämme wurden von Winzern zum Anbinden von Rebstöcken benutzt. Die jungen biegsamen Zweige wurden wie Weidenzweige zum Korbflechten eingesetzt.
Beeren und Blätter des Gewöhnlichen Ligusters sind für den Menschen und viele Tiere leicht giftig und können zu Magen-Darm-Beschwerden führen. Auch von Hautreizungen wurden berichtet.
Text und Fotos: Brigitte Steinke
Quellen:
Bundesamt für Naturschutz: https://www.floraweb.de/xsql/artenhome.xsql?suchnr=3398&
Das GIFTPFLANZEN.COMpendium: Liguster (Ligustrum vulgare) im GIFTPFLANZEN.COMpendium - www.giftpflanzen.com